Montag, Oktober 26, 2009

Grünewälder Strief 2 – Frauen und ihr Putz


Wir haben beim Spontanfrühstück einfach mit gemacht! Und gleich mal eine Ladung Kaffee gekocht.

Es wurde viel gelacht und geredet und nebenher habe ich unser Zelt eingerichtet. Wir hatten beim Packen unsere Schlafunterlage – völlig unauthentische Matratzen – vergessen und ich hatte kurzerhand beschlossen, dass wir nun einmal ausprobieren würden, wie das so mit dem auf Stroh schlafen ist.

Unser Bett hat zwei schöne Eigenschaften, da ist unser Baldachin, für den sprechen zwei Gründe: 1. bleibs morgens dunkel und in einem weißen Zelt ist das nicht zu verachten und 2. hält es grad auf dem Strief auch die Wärme.

Und zum anderen hat das Bett einen echten Kasten, der durch die Seitenwände und eine geschlossene Schicht Nut- und Federbretter am Boden entsteht. Dadurch kann von unten keine Feuchtigkeit eindringen und jetzt konnte ich einfach hingehen und zwei Ballen Stroh darin verteilen, ohne Angst zu haben, es könnte nach unten durchrieseln. Auf die dicke Schicht Stroh kamen zwei Bettlaken, darauf unsere Schafherde, dann noch mal Bettlaken – denn ich mag nicht direkt auf den Fellen schlafen und nun die Oberbetten, Kissen und ganz oben noch zwei uralte wollene Armeedecken von meinem Vater – die Dinger sind unglaublich, total dünn, aber Kälte kommt da nicht durch!

Boah war das warm und weich – hat mich selbst überrascht! Ich denke ich werde für die Zukunft zwei Matratzensäcke nähen die in Zukunft gestopft werden, dass macht die Verteilung etwas einfacher.

Abends kamen dann mein Süßer und der Weißbinder und das Mittelaltern konnte so richtig beginnen. Bei unseren Nachbarn waren inzwischen auch alle angekommen und so konnte die große Party steigen.

Und eine Party war es – abends wurde gefeiert, mal hier mal dort, auch an unserem Tisch. An einem Abend zählten wir 32 Leute die an unserem Tisch Platz fanden – so viele waren es vorher noch nie gewesen. Aber auch in anderen Lagern hatten wir Spaß.

Bei den Landsknechten waren wir singen – immer im Kampf mit der Trauermarschgeschwindigkeit der männlichen Landsknechten, die es liebten in wirklich getragenem Ton die lustigsten Lieder vorzutragen. Während die Mädels – soweit sie textfest waren – verzweifelt versuchten das Tempo anzutreiben.

Und was gesungen wurde, von „Hoch auf dem Gelben Wagen“ (ich wußte nicht wie langsam man den singen kann...), über dem bei Landsknechten unvermeidlichen „Der Tod reitet in Flandern“ auch zu Dingen wie dem Frosch der m-Bäh! anstatt quack, quack macht. Erwachsene sind seltsam.

Bei anderen Spätmittelalterlichen feierten wir eine Hochzeit und eine Erneuerung des Eheversprechens nach 10 Jahren. Dafür kamen die Damen aus dem Kombinationslager Ohne Land und Rote Hand (das sind wir, irgendwie wurden wir dann zum Roten Land und Ohne Hand – keine Ahnung wie das passieren kann...), voll aufgebrezelt. Es hat mich einige Mühe gekostet die beiden anderen Mädels dazu zu bekommen. Denn aufbrezeln heißt im Hochmittelalter eher unbequeme Sachen für die Damenwelt.

Zugegeben, ich hatte nur mit einem der Mädels zu kämpfen, die andere war eher Feuer und Flamme.

Hier mal eine Aufzählung was wir da so an hatten: fangen wir drunter an. Neeee, neee – so tief nun auch wieder nicht. Ich vermute mal – wissen tu ich es natürlich nur von meiner nächsten Umgebung – modernes drunter wird auch getragen – wir wollen gerne gesund bleiben. Arbeitgeber finden es nicht so prickelnd, wenn man nahezu angekündigt krank aus einem Kurzurlaub kommt. Wärmetechnisch hatte ich für den Abend auch immer noch ein paar Leggins drunter. Hier nun ab der mittelalterlichen Schicht, die Mode der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts:

Genähte Strümpfe bis zum Knie, meine sind aus weißem Leinen, gehalten werden sie von Strumpfbändern unterm Knie. Das waren bis vor kurzem zwei ganz schmale Brettchenwebborten oder zwei Fingerloopbänder – je nachdem was ich schneller zur Hand hatte. Seit diesem Jahr bin ich stolze Besitzerin zweier roter Ledergürtel mit schönen Bronzeschnallen. Sehr neckisch – die weißen Strümpfe und die roten Gürtelchen.

Über den Strümpfen trage ich ein paar nadelgebundener Socken damit meine Flossen schön warm bleiben. Die gehen bis knapp über den Knöchel. Tatsächlich trage ich da keine neumodischen Socken drunter.

Weiter geht es mit einem Untergewand, einem nicht bodenlangen, aber langärmligen Kleidchen aus dünner Wolle, darüber eine bodenlange Cotte, das ist ein langärmliges Kleid, aus indigogefärbtem Leinenstoff das vorne am Ausschnitt geschlitzt ist. Dieser wird mit einem Vierpass, einer Art Brosche geschlossen. Gürtel drüber, der vorne bis fast zum Boden herunterreicht und schon ist die Dame für zuhause fertig angezogen – gut Schuhe fehlen noch. Ich habe geschnürte Lederschuhe.


Will Dame das Haus verlassen kommt der Surcote darüber, das ist ein weites Ärmelloses Kleid, das über die Cotte gezogen wird, meines ist aus dickem Wollstoff und mit Krapp rot gefärbt. Zu „meiner“ Zeit waren die Armausschnitte noch recht züchtig hochgezogen, die folgende Zeit lies immer mehr Einblicke zu, bis zum Extrem, dass die Ausschnitte sich in der Mitte über der Brust zu einem sehr schmalen Steg trafen. Da wurde die Cotte darunter dann auch hauteng getragen, die Damen sogar in ihre Kleider eingenäht, damit man ja auch keine der richtigen Rundungen übersah. Nun trugen die Ausschnitte auch zurecht den bereits früher vergebenen Ausdruck „Höllenfenster“. Aber wie gesagt, wir waren noch recht langweilig – meine Cotte ist auch nicht sonderlich eng geschnitten – Modell kleines Zelt trifft es recht gut...

So, mit Klamottage sind wir fertig. Braucht frau noch mehr Wärme kann sie noch einen Rad- oder Halbkreismantel tragen. Aber auch eine Cuculle – ein Ponchoähnlicher Reisemantel – wäre eine gute Wahl. Mir ist mir der ganzen Wolle aber schon warm genug.

Ohne Kopfbedeckung kann eine ordentliche Frau aber nicht raus gehen – tatsächlich fühl ich mich unbekleidet und unwohl, wenn ich in Gewandung unterwegs bin und aus irgendeinem Grund kein Kopftuch oder ähnliches auf habe. Für den normalen Gebrauch benutze ich ein geschlungenes Kopftuch, das mit zwei langen dünnen Wülsten über der Stirn gekreuzt wird und im Nacken verknotet ist. Ist praktisch und hält bombenfest für mehrere Stunden, wenn nicht den ganzen Tag.

Für den feinen Auftritt am Sonntag oder eben abends zum Fest macht das Gebende aber mehr her. Ist aber auch massiv unbequem. Es besteht grundsätzlich aus zwei Teilen, drum herum gibt es Zubehör das verschieden kombiniert werden kann. Wie zum Beispiel, ein Haarnetz, einen Wimpel – das ist eine Art Halstuch und oder ein Schleier in variabler Länge.

Die beiden wichtigsten Teile sind die Barbette – ein einige Zentimeter breiter Kinnriemen, der möglichst straff das Kinn am Kopf hält. Ja, tatsächlich – das Ding muss ein Mann erfunden haben, der dringend eine Frau am sprechen hindern wollte. Züchtig und ordentlich ist es, wenn die Frau den Mund eigentlich nicht mehr aufbekommt und Nahrung nur noch mit Mühe durchzwängen kann – zum Glück hat der erfindende Mann nicht daran gedacht, dass man auch sehr gut sprechen kann ohne die Zähne dabei zu bewegen...

Der Kinnriemen wird also unter das Kinn gelegt und über dem Kopf überlappend gespannt. Gehalten wird das ganze von einer Gebendenadel, die den Soffstreifen fixiert – nein, nicht im Kopf.

Der zweite Teil ist die Schapel oder die Pillbox. Die Schabel ist ein Reif, der aus Metal oder Stoff sein kann. Hier gehts nun schon los mit den Variationen. Der Reif selbst muss sein, aber je nach dem ob es der nun aus Metal oder Stoff ist, unterschieden sich die Tragweisen. Da man am Metal keinen Schleier festpinnen kann, wird hier der Schleier unter dem Reif getragen. Er wird wie eine Krone aufgesetzt und liegt somit auch gerade über der Stirn.

Ich bekomm immer Zustände, wenn ich wieder eine Dame sehe, die einen wirklich schönen Reif trägt und ihn – vielleicht weil er nicht richtig auf den Kopf passt, vielleicht weil es bequemer ist oder vielleicht weil sie es nicht weiß – wie ein Haarreif schräg über den Hinterkopf gezogen hat.

Die Schapel aus Stoff, ist ebenfalls ein einfacher Ring von einigen Zentimeter Breite, der auch mit Rüschen oder Falten verziert sein kann. Ist er oben geschlossen, nennt man ihn Pillbox, diese Variante sieht aus wie ein kleiner runder Hut. Bei einer berühmten Domfigur ist diese Pillbox mit einer Krone ergänzt, die sich außen an den Stoffreif anschmiegt – sehr schick, reich und kostbar.

So reich bin ich nicht und eine adelige Darstellung liegt mir fern. Mein Gebende besteht aus dem Kinnriemen aus Leinen, den ich so fest wie möglich anlege, denn lockern tut der sich eh von selbst. Es galt auch als sehr unschicklich sich in der Öffentlichkeit den Kinnriemen zu lockern! Es ist eher so, dass ich den Riemen nach einiger Zeit noch mal nachspanne, spätestens dann, wenn er mir zu locker vorkommt. Nichts schlimmer als ein Sabberläppchen unterm Kinn schlabbern zu haben.

Dazu trage ich ein geknüpftes Haarnetz aus weißem Leinen, darin sehen auch recht kurze Haare einfach toll aus – vor allem wenn man sie unbemerkt noch etwas ausstopft... und darüber eine Schapel aus verstärktem Leinen mit gekräuseltem Rand. Die nenne ich liebevoll meine Brathänchenmanschette – denn es sieht schon etwas nach geschmückter Hähnchenkeule aus.

Damit kann ich schon aus dem Haus gehen, möchte ich es noch etwas edler haben lege ich über die Schapel einen Schleier, so dass der vordere Teil über der Strin noch herausguckt, die Schultern und der Hals wird dann davon bedeckt. Gehalten wird er mit weiteren Gebendenadeln – mein Schleier ist aus recht dickem Leinen und hat den großen Nachteil, dass ich in Verbindung mit dem Kinnriemen, der auch schon über den Ohren liegt, dann gar nichts mehr höre und das geht ja nun gar nicht! Worüber soll ich denn dann zwischen meinen Zähnen herauszischen??

Fast fertig. Schmuck gab es auch, aber wenig. Ich habe eine wirklich schöne Fiebel mit Rosenmuster, das ich auf der Brust meines Surcote befestigt habe. Neben den Gebendenadeln, war es das mit Schmuck. Ringe trage ich keine.

Wenn ich genau weiß, dass ich die nächste Zeit nur dekorativ rumsitzen kann und vielleicht grad noch so was trinken, aber eben nichts arbeiten muss – dann liebe ich es mich so herauszuputzen. Als wir drei Mamsell bei der abendlichen Feier eintrafen gab es auch ein entsprechendes Hallo. Natürlich waren alle gut angezogen, aber den gesamten Putz haben nur wir uns gegeben. Am Ende war sogar das Mädel, das eigentlich gar nicht wollte ebenfalls ganz angetan, da extra erwähnt wurde, wie toll es doch sei, dass wir mal aufgedonnert daher kämen und nicht im Pendant von Jeans und Pulli der Zeit.

Am nächsten Morgen war dann die „Hochzeit“ – eine der Gruppen auf dem Strief entstammt einer katholischen Jugendgruppierung, die bereits früher zusammen auf Zeltlager gegangen sind und diese auch organisierten – irgendwann hatten sie Mittelalter als Thema und sind sozusagen hängen geblieben.

Deren Darstellung ist eine inzwischen recht gute des Deutschen Ordens. Sie geben sich auch die ganze Chose so mit alle drei Stunden gemeinsam zu beten, Schweigemahl und was noch so dazu gehört in der Darstellung eines Ordens. Sie haben sogar ein extra Zelt für die Kapelle mit dabei.

Für die beiden Paare wurde ein Laiengottesdienst abgehalten, was die Gruppe wirklich toll hinbekommen hat und bei einigen Teilnehmerinnen in einem wahren Tränenstrom endete – weil es war ja soooo schöööön schnief.

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